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Kreative Zweiklassengesellschaft – Kultur- und Kreativwirtschaftsindex Berlin-Brandenburg 2013
Von duscha | 5. Juni 2014
Kreativ-Berufe mit Zukunft? Auf in die Games-Industrie! Das suggeriert beim Lesen zumindest der aktuelle Kultur- und Kreativwirtschaftsindex Berlin-Brandenburg 2013. Vor allem die Games-Branche sowie Software- und Multimedia-Unternehmen, Film- und Rundfunkbetriebe, Marketing- und Werbebranche bieten Jobs in Festanstellung und finden sich laut nach eigenen Angaben eher in guter wirtschaftlicher Lage. Die große Mehrzahl der Einzelunternehmen/Selbständigen hingegen, die die Kreativwirtschaft in Berlin ausmachen, insbesondere aus den Bereichen der Bildenden und Darstellenden Kunst, Mode, Buch und Presse-Branchen knapsen rum. Bei 36% der Befragten reicht das Einkommen alleine nicht für den Lebensunterhalt aus, da sie zu wenig (27%) oder so gut wie kein Einkommen (9%) beziehen. Mietpreise, vor 2 Jahren noch als ehe positiver Standortfaktor genannt, sind durch die enormen Steigerungsraten im Wohn- und Gewerberaum-Bereich ein Existenz bedrohendes Problem.
Mietobergrenzen u. eine neue Stadtentwicklungspolitik sind gefragt. Auch eine Förderpraxis, die immer die Gleichen unterstützt, die Großen und Prächtigen bevorzugt, wird bemängelt. Gleich 40% der Befragten fühlen sich schlecht bis sehr schlecht durch die Verwaltung unterstützt. Banken geben zu wenig Kredite und zu schlechten Konditionen. Lots to do für die Berliner Politik.
Von der als Positivfaktoren genannten touristischen Attraktivität, Berlins internationalem Image und der Vielzahl und Vielfalt hier versammelter Kultur und Kreatitvität kann Berlins kreative Klasse kaum allein leben – zumal es bei den für den international attraktiven Ruf primär zuständigen Künstlern und (Sub-)Kulturschaffenden besorgniserregende Abwanderungstendenzen gibt, weil günstiger Wohn- Atelier- oder Gewerberaumflächen fehlen, Nischen für Experimente und Alternativkultur verloren gehen. Wenn dieser Boden austrocknet, läuft irgendwann auch die große Marketingkampagne Berlin als Kreativstadt leer.
Worauf sich die Stadt besinnen sollte, wie sie ihr wirklich besonderes kulturelles Kapital zukunftsorientiert nutzen kann, hat Kolja Reichert in seinem hellsichtigen Essay „Die Goldstadt“ aufgezeigt: „Der Reichtum der Stadt muss nicht erst geschöpft werden. Er ist ihr in den Jahren der niedrigen Mieten und leeren Räume ins Netz gegangen. Damit er auch bleibt, muss er nun verstanden und genutzt werden. Denn das Einzige, womit Berlin sich international hervortun kann, ist gerade die Sicherung eines Gegenorts, in dem andere Modelle von Arbeit, Zusammenleben und Güterverteilung erprobt werden können. Wenn diese Chance verspielt wird, wird zwischen Hotels und Souvenirläden gar nichts bleiben. Viel Spaß, wir sind dann weg.“
Kultur- und Kreativwirtschaftsindex Berlin-Brandenburg 2013
Kolja Reichert, Die Goldstadt
Topics: Arbeitswelt & Weiterbildung, Bildung & Politik, Community Kultur, Kreativwirtschaft | Kein Kommentar »